Sivas (armenisch Սեբաստիա Sepasdia; kurdisch Sêwas; griechisch Σεβάστεια Sebasteia; latein Sebastia, Sebastea), deutsch Sebaste, ist die Hauptstadt der gleichnamigen türkischen Provinz in Zentralanatolien. Die Stadt mit 356.884 Einwohnern (Stand 2015) liegt etwa 450 km östlich von Ankara.
Über den Ursprung des Namens gibt es verschiedene Aussagen:
Nach Volkssagen könnte der Name so entstanden sein:
Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Türken und zu einem geringen Teil aus Kurden. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten in Sivas Armenier und Pontosgriechen mit christlichem Glauben. Siehe dazu: Vertrag von Lausanne
1914 hatte Sivas rund 45.000 Einwohner, mehr als ein Drittel waren Armenier, der Rest Griechen und Türken.
In Sivas ist heute der Islam die Hauptreligion. Die Mehrheit bilden sunnitische Muslime. Daneben gibt es als nächstgrößte Gruppe die Aleviten. Vereinzelt gibt es auch Juden und Christen, die jedoch nur einen sehr geringen Teil ausmachen. Etwa 81 % der Bevölkerung in Sivas sind sunnitische Muslime, 18 % sind Aleviten, und der Rest setzt sich aus Juden, Christen und anderen zusammen. Die armenisch-apostolische Gemeinde hatte in Sivas bis zum Ersten Weltkrieg sechs Kirchen (Meryemana, Surp Sarkis, Surp Minas, Surp Prgitsch, Surp Hagop, Surp Kevork), vier Klöster (Surp Nschan, Srup Hreschdagabed, Surp Anabad, Surp Hntragadar), ein Waisenhaus, ein Krankenhaus und mehrere Schulen. Die Katholiken hatten eine Kirche mit Sitz des Metropoliten von Sebastea, die Protestanten verfügten über zwei Kirchen und acht Schulen.
Sivas Erstbesiedlung reicht von 7000 bis 5000 v. Chr. zurück. Die Hethiter, deren Siedlungsreste bei Topraktepe nahe Sivas zu finden sind, herrschten dort von 1600–884 v. Chr., danach für etwa 100 Jahre die Phryger (800–695 v. Chr.). Die Phryger wurden durch die Lyder abgelöst. Die Lyder verloren das Gebiet im Jahre 546 an die Perser. Das persische Reich wurde von Alexander dem Großen unterworfen, so dass Sivas bis etwa 17 n. Chr. von den Diadochen beherrscht wurde. Bis 395 war Sivas Teil des Römischen Imperiums, danach bis 1075 byzantinisch. Unter Kaiser Diokletian war Sivas Hauptstadt der Provinz Armenia minor.
Nach mehrjährigen Verhandlungen entschädigte Kaiser Basileios II. 1021 Seneqerim Johannes, König von Vaspurakan in Südarmenien, mit dem Territorium von Sebaste in Kappadokien. Seneqerim Johannes zog mit seinem Hof, dem hohen Klerus und 14.000 Familien nach Sivas und verwaltete es als byzantinischer Vasall.
Im 11. Jahrhundert tauchten die ersten türkischen Stämme in Anatolien auf. Von 1142 bis 1171 herrschte die Danischmenden-Dynastie über Sivas. 1174 eroberten die Seldschuken unter Kılıç Arslan II. die Stadt und ließen unter anderem 1197 die Ulu Cami (deutsch: Große Moschee) errichten. Sivas diente neben Konya zeitweise als Hauptstadt der Seldschuken. 1232 wurde Sivas wie weite Teile Eurasiens von den Mongolen überfallen. Den Mongolen folgte das Beylik von Eretna, dem von Kadi Burhan al-Din ein Ende gesetzt wurde. 1398 eroberten die Osmanen unter Sultan Bayezid I. die Stadt und verloren sie 1400 an Timur, der die Stadt zerstörte. 1403 gelang es den Osmanen, sie zurückzuerobern. Sivas war bis zum späten 19. Jahrhundert Hauptstadt der osmanischen Eyalets Rum. Ab 1864 wurde es Hauptstadt des nun eigenständigen Vilâyets Sivas.
Die Osmanen regierten die Stadt bis zum Ersten Weltkrieg. 1913 kam es zum Boykott christlicher Unternehmer und Händler in der Stadt. Im April/Mai 1914 wurde der Markt von Sivas Opfer eines Brandes. Am 5. Juli 1915 begann die Deportation der armenischen Bevölkerung von Sivas. 1915 schloss auch das 1912 von Erzurum hierher verlegte armenische Sanasarian College. Bei diesem Völkermord hatte Sivas und dessen Umgebung die größte Zahl an getöteten Nichtmuslimen. Die überlebenden, nach Armenien geflohenen Armenier gründeten in Jerewan das Stadtviertel Malatya-Sebastia.
Nach der Niederlage des osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg formierte sich unter Mustafa Kemal eine nationale Widerstandsbewegung, die mit dem Amasya-Zirkular und den Beschlüssen des Erzurum-Kongresses die komplette Unabhängigkeit und Unteilbarkeit des besetzten Reiches forderte. Dazu wurden nach Sivas Repräsentanten aus dem ganzen Land eingeladen, zu deren Vorsitzenden (Heyet-i Temiliye) Mustafa Kemal Pascha gewählt wurde. Diese 31 Teilnehmer umfassende Gruppe hielt vom 4. bis 11. September 1919 den Sivas-Kongress ab und formte die „Gesellschaft zur Verteidigung der nationalen Rechte Anatoliens und Rumeliens“ (Anadolu ve Rumeli Müdafaa-i Hukuk Cemiyeti), einen neben der osmanischen Regierung agierenden Zusammenschluss, der unter anderem den Abzug der ausländischen Truppen, die komplette Unabhängigkeit und Unteilbarkeit des Landes, Neuwahlen des osmanischen Parlamentes und den Rücktritt des ihnen gegenüber feindlich agierenden osmanischen Innenministers Damat Ferid forderte.
In den 1930ern wurde die Stadt erstmals an das anatolische Eisenbahnnetz angeschlossen. Es folgten Investitionen in Zementfabriken, Eisenwerke und in größere staatliche Landwirtschaftsbetriebe. Gegen Ende der 70er verstärkte sich die Landflucht, besonders Istanbul hat eine große Zahl Binnenmigranten aus Sivas abbekommen.
Am 2. Juli 1993 versammelten sich islamische Fundamentalisten nach dem Freitagsgebet vor dem Madımak-Hotel, in dem im Rahmen eines alevitischen Kultur-Festivals zum größten Teil alevitische Musiker, Schriftsteller, Dichter und Verleger logierten, darunter Kinder und Jugendliche. Das Hotel wurde in Brand gesetzt, während auf den Straßen die Massen mit Pflastersteinen bereitstanden. Wegen der aufgebrachten, wütenden Menschenmenge vor dem Hotel konnten die Menschen im Gebäude nicht ins Freie. Über 30 Menschen verbrannten im Hotel; wenige überlebten, so auch der Autor Aziz Nesin, dem laut verschiedenen Angaben der Anschlag in erster Linie gegolten hatte. Obwohl Polizei und Feuerwehr frühzeitig alarmiert waren, griffen sie erst nach acht Stunden ein. Das Staatssicherheitsgericht in Ankara urteilte, dass die große Menschenmenge die Einsatzkräfte bei den Rettungsarbeiten behindert hatte. Die Aleviten nennen diesen Anschlag das Sivas-Massaker. Auch wenn bei diesem Vorfall auch Sunniten und Angehörige anderer Religionen ums Leben kamen, sehen die Aleviten dieses Ereignis als einen Schlag gegen die alevitische Bevölkerung. Das Ereignis spielte eine wichtige Rolle bei ihrer Bewusstseins- und Organisationsbildung. Seit 2003 wird des Vorfalls im Rahmen von Demonstrationen gedacht, zugleich wird gefordert, im Hotel eine Gedenkstätte zu errichten. 2003 marschierten ca. 500 Leute mit, im Jahr 2007 waren es schätzungsweise 20.000 mit hoher Medien-Präsenz und einem Einsatz von rund 3.000 Polizisten.
Die Öffentlichen Nahverkehrsmittel bestehen hauptsächlich aus Dolmuş und städtischem Busverkehr. Sivas besitzt einen seit 1957 betriebenen Flughafen Sivas Nuri Demirağ, welcher meist für inländische und saisonal auch für internationale Flügen genutzt wird.
Der Bahnhof von Sivas befindet sich zwei Kilometer südwestlich vom Stadtkern. Sivas bildet einen wichtigen Knotenpunkt in der Ost-West-Achse (Ankara–Erzurum–Kars) und der Nord-Süd-Achse (Samsun–Kayseri). Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke Ankara–Sivas ist derzeit in Bau (Stand 2014). Eine Eisenbahn-Verbindung nach Divriği wurde fertiggestellt.
Sivas besitzt viele Bauwerke der Seldschuken aus dem 13. Jahrhundert. Dazu gehören die seldschukische „Blaue Medrese“ (Gök-Medrese) von 1271, erbaut durch den armenischen Architekten Kaloyan, die „Heilungs-Medrese“ (Şifaiye Medresesi) von 1218 und die „Medrese mit doppeltem Minarett“ (Çifte Minare Medresesi) von 1271. Die älteste Moschee der Stadt ist die „Große Moschee“ (Ulu Cami) von 1196. In der Nähe von Sivas befindet sich die Ruine der alten armenischen Kirche des Heiligen Kreuzes (armenisch Սուրբ խաչ). Sie enthielt wichtige Relikte wie den Thron der Arzruni-Könige von Vaspurakan.
Osmanische Bauwerke sind das Bad Kurşunlu Hamamı von 1576, die Karawanserei Behrampaşa Hanı von 1573 und die Eğri Köprü, die Krumme Brücke über den Fluss Kızılırmak (Halys) im Südosten der Stadt.
Im Kongressgebäude von 1919 befindet sich das Sivas-Museum, das über den Kongress, Atatürk und die ethno-geografischen Besonderheiten der Region informiert. Sivas ist auch für die Thermalbäder Sıcak Çermik, Soğuk Çermik und Kangal Balıklı Kaplıca berühmt.